Rundgang durch das Bahnhofsviertel

Dieser Rundgang führt sie durch das lebendige, spannende Bahnhofsviertel. Der 5. Ort lädt Sie ein, dieses Viertel und seine Geschichte, seine Kunstwerke unter freiem Himmel, seine atypische Architektur und viele weitere interessante Details neu- oder wiederzuentdecken.

Abfahrt
Hauptbahnhof
Ankunft
Bastion 14
Dauer
1h15
Entfernung
5,4km

Zu Beginn ein paar Informationen:

Das heutige Bahnhofsviertel wurde bei der Erweiterung der Stadtmauer zwischen 1374 und 1390 in die befestigte Stadt eingegliedert. Es wird durch Hauptverkehrsadern gegliedert, die schon in der Römerzeit existierten. Ihre Namen erinnern noch heute an die drei ehemaligen Vororte, die das heutige Viertel bilden: den Faubourg National im Südwesten, den Faubourg de Saverne im Zentrum und den Faubourg de Pierre im Osten.

Im 19. Jahrhundert wird der Bahnhof zum Mittelpunkt eines neuen, gemischten und fortan kosmopolitischen Stadtviertels mit Mietshäusern, Sozialwohnungen und vielerlei Geschäften. Seit den 1990er Jahren gibt es hier auch eine blühende Kulturszene mit Museen und Ausstellungsräumen (Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, Stimulantia usw.), Theater und Konzerthallen (Laiterie, Théâtre Actuel et Public Straßburg, Espace K) und Kreativräumen (Bastion 14, Graffalgar, Fabrique de Théâtre und andere).

Station 1

Hauptbahnhof

Die Belagerung von Straßburg im Jahr 1870 hatte die Unterbrechung der wirtschaftlichen Verbindungen über die Schiene zur Folge. Die Notwendigkeit, sie wiederherzustellen, veranlasste die deutschen Behörden dazu, rasch mit dem Bau eines neuen Hauptbahnhofs zu beginnen.

1883 war der Neubau fertig, der sich mit seinem halbrunden Platz zur Stadt hin öffnet.
Er vereint drei Bahnhöfe in einem: einen Personen-, einen Güter- und einen Rangierbahnhof. Der vom Berliner Architekten Johann Eduard Jacobstahl entworfene funktionelle Komplex ist hufeisenförmig um die Haupthalle angeordnet, von der aus man zu den Gleisen gelangt. Der Bahnhof trägt aufwändige Verzierungen im Neorenaissance-Stil, insbesondere Flachreliefs mit Darstellungen des Elsass und Lothringens als Gebiete des Kaiserreichs.

Der ursprünglich baumbestandene Platz besteht heute aus einer Grünfläche, die von fünf symmetrische angelegten Fußgängerwegen unterteilt wird. Seit 2007 ist der Bahnhof in einen spektakulären Kokon aus Glas und Metall gehüllt. Er bildet einen Ankunfts- und Durchgangsbereich, der für den Betrieb eines großen modernen Bahnhofs unverzichtbar ist. Die von Jean-Marie Duthilleul gestaltete Erweiterung und Modernisierung ermöglichte es, das zunehmenden Fahrgastaufkommen zu bewältigen und die verschiedenen Verkehrsmittel besser aufeinander abzustimmen.

Image d'archives de la gare de Strasbourg
La gare de nuit
Luc Boegly
Gare de Strasbourg
Luc Boegly

Station 2

Architekturhochschule ENSAS

Die École Nationale Supérieure d’Architecture de Strasbourg (abgekürzt ENSAS) wurde 1922 gegründet und war bis 1987 Im Palais du Rhin untergebracht. Sie zog dann ins Bahnhofsviertel um, in eine ehemalige Automobilwerkstatt, ein Gebäude im modernistischen Stil aus den 1930er Jahren. Es wurde von den Architekten Guy Clapot und Yves Moretti umgestaltet.

Um den Studierenden mehr Platz zu bieten, hat man die Schule 2013 um einen Anbau erweitert. Das von Marc Mimram entworfene Gebäude mit dem Spitznamen "La Fabrique" besteht aus drei versetzt übereinander gestapelten Elementen. Der moderne Erweiterungsbau ist durch einen verglasten Durchgang mit der ehemaligen Autowerkstatt verbunden, die 2014 ebenfalls umgebaut wurde.

le bâtiment de l'ENSAS

Station 3

Ehemalige Synagoge

Die Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Straßburg machte 1898 den Bau einer großen Synagoge notwendig, die mehr Platz bot als die damalige Synagoge in der Rue Sainte Hélène. Die Synagoge wurde an der Stelle des ehemaligen Kornhauses errichtet und hob sich durch ihre monumentale Bauweise vom Stadtbild ab. Das von dem Architekten Ludwig Lévy entworfene Bauwerk aus rotem Sandstein mit seinem mächtigen, 54 Meter hohen achteckigen Turm, seinen Türmchen, seinen hohen Arkaden und seiner großen Rosette in der Fassade lehnte sich an den romanischen Stil der rheinischen Münsterbauten an. Bis zu 1600 Personen fanden darin Platz.

Nach der faktischen Annexion durch das Dritte Reich wurde die große Synagoge in der Nacht des 30. September 1940 von einer Gruppe der Hitlerjugend in Brand gesteckt und dann 1941 vollständig abgerissen. Heute weist eine Gedenktafel auf ihren Standort hin. Angesichts der Lücke, die der Zweite Weltkrieg hinterlassen hatte, war der Wiederaufbau einer Synagoge ein vorrangiges Anliegen, und so wurde 1958 am Rande des Parc du Contades eine neue Synagoge errichtet.

Synagogue de Strasbourg vers 1930

Station 4

Mediathek Olympe de Gouges

Der Bau der „neuen Zentralbibliothek” begann im Januar 1973, und die Eröffnung fand im Oktober 1975 statt. Das Gebäude mit seinen modernistischen Linien, ein Werk des Architekten Paul Ziegler, befindet sich in unmittelbarer Nähe der Kirche Saint-Jean, ihres Pfarrhauses aus dem 18. Jahrhundert und ihres Parks. Sie bilden heute ein Ensemble, das das Historische mit dem Zeitgenössischen vereint.

Im Jahr 2012 erhielt die Mediathek ihren neuen Namen zu Ehren von Olympe de Gouges, einer Literatin und Verfasserin der Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin von 1791 Die Mediathek beherbergt auch den Bereich "Égalité de genres", ein Ressourcenzentrum, das sich mit Fragen der Gleichstellung zwischen Mann und Frau und LGBTQ+ beschäftigt. Es will die Öffentlichkeit und Fachleute sensibilisieren und verfügt hierzu über einen Bestand, der alle Wissensbereiche bezüglich der Gleichstellung zwischen Mann und Frau auf den Gebieten Soziologie, Philosophie, Geschichte und Wirtschaft abdeckt.

Die Mediathek Olympe de Gouges ist die zweitgrößte des Straßburger Mediathekenverbundes nach Fläche, Umfang der Sammlungen und Anzahl der Ausleihen.

Station 5

Hôtel Graffalgar

Das 1875 erbaute Eckhaus ist mit roten Backsteinen verziert und an der Fassade sind Tuschemalereien angebracht, die schlummernde Reisende darstellen und zusammen mit dem Gesims einen Trompe-l'œil-Effekt erzeugen. Diese poetische und hyperrealistische Collage wurde 2018 von Charles Levalet geschaffen. Sie fügt sich harmonisch in das umgebende Stadtbild ein und weist Vorbeigehende darauf hin, dass das ehemalige Wohngebäude nun ein Hotel ist. Der Umbau wurde 2014 vom Architekturbüro Les Agenceurs durchgeführt.

Jedes Zimmer ist ein Unikat und wurde individuell von Künstlern gestaltet, denen man freie Hand gelassen hatte, sich kreativ auszuleben. Der Ort ist eine Anlaufstelle für die alternative Szene Straßburgs und trägt zur Förderung der urbanen Kunst in Straßburg bei, die besonders in der Rue Déserte und den benachbarten Straßen zum Ausdruck kommt. Zahlreiche ephemere Werke entstanden legal oder illegal im urbanen Raum. Für aufmerksame Passanten überraschend tauchen Sie an Wänden oder auf Bürgersteigen auf und und lassen die vielfältigen Techniken der Künstler erkennen (Graffiti, Malerei, Collage, Schablonen, Mosaik usw.).

Station 6

Kirche Sainte Aurélie

Diese Kirchengemeinde von Gemüsegärtnern war im Mittelalter einzigartig, denn sie hatte zwei Patrone. 801 wurde die Kirche erstmals unter dem Namen Sankt Mauritius erwähnt, bevor sie 1324 endgültig nach der Heiligen Aurelia benannt wurde. 1523 konvertierte die Gemeinde zum Protestantismus und ernannte den Straßburger Reformator Martin Bucer (1491–1551) zum Pastor. Die alte Kirche wurde 1765 bis auf den romanischen Glockenturm vollständig umgebaut und erhielt eine Fassade mit Giebeldreieck, das von einem breiten Giebel mit Voluten überragt wird.

Im Inneren des weiten Kirchenschiffs befinden sich ein Altar und eine Kanzel, die mit Gold- und Silbertönen geschmückt sind, sowie mit Gemälden verkleidete Emporen, was diese Kirche zu einem der seltenen religiösen Bauwerke im Louis-quinze-Stil in Straßburg macht. Die 1718 vom berühmten Orgelbauer André Silbermann gefertigte Orgel besteht aus einem eindrucksvollen barocken, weiß und goldfarben bemalten Gehäuse. Darin befinden sich noch 520 Originalpfeifen.

Eglise Sainte-Aurélie

Station 7

Straßburger Museum für moderne und zeitgenössische Kunst

Das Musée d’Art Moderne et Contemporain de Strasbourg (MAMCS) wurde 1998 eröffnet. Es befindet sich auf dem sanierten Gelände des ehemaligen städtischen Schlachthofs. Architektonisch wird das Museum durch seine großzügige gläserne Wandelhalle geprägt – eine regelrechte „Innenstraße“, die zu den verschiedenen Ausstellungsräumen führt. Sie bildet das Herzstück des von Adrien Fainsilber erdachten Bauwerks und spielt mit dem Blick aufs Wasser aus verschiedenen Perspektiven und unterschiedlichen Aussichten auf die historische Stadt.

Das Museum öffnet sich zum Place Jean-Hans Arp hin. Der Name ist eine Hommage an den Straßburger Künstler, der zu den Vorreitern des Dadaismus und später des Surrealismus gehörte und dessen Werke im MAMCS zu sehen sind. Der Platz ist ein lebendiger Treffpunkt und steht auch für die urbane Kultur: Hier zeigen Skater auf ihren Boards oder Inlinern und Streetart-Künstler, was sie können.

Musée d'Art moderne et contemporain de Strasbourg

Station 8

Haus Nummer 28 im Boulevard de Lyon

1903 beauftragte die Industriebaufirma Ihm und Weber den Architekten Ferdinand Kalweit mit dem Bau eines Bürogebäudes samt Lagerhalle. Das Gebäude mit seiner vielschichtigen Architektur ist von den geschwungenen und floralen Formen des Jugendstils inspiriert, die sich im Stein und den schmiedeeisernen Balkongeländern finden. Der Firmenname prangte in großen Lettern unter dem Zeltdach an der Ecke.

Heute erinnert nur noch die Skulptur eines Metallarbeiters über der Eingangstür an die einstige gewerbliche Nutzung des Gebäudes. An der vollständig aus roten Backsteinen bestehenden Fassade der Lagerhalle weist ein Wandgemälde des Künstlers Japu mit Basketballspielern darauf hin, dass das Gebäude in den 2000er Jahren als Sportgeschäft genutzt wurde. Heute ist es ein sogenannter „Dritter Ort“, eine Begegnungsstätte, die zum Leben im Quartier beiträgt.

28 boulevard de Lyon

Station 9

Katholischer Bahnhof

Hausnummer 1 Boulevard de Lyon

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte die Stadt eine Sozial- und Gesundheitspolitik mit einem breit angelegten Plan zum Bau von Sozialwohnungsprogramm für besonders Bedürftige. Die 1908 fertiggestellte Arbeitersiedlung Katholischer Bahnhof war für die Unterbringung von Eisenbahnern bestimmt, die der katholischen Eisenbahnergewerkschaft angehörten.

Diese Eisenbahnerkolonie, bestehend aus 27 aneinandergereihten Wohngebäuden, bietet 274 günstige Wohnungen; sie sind um einen Innenhof herum angeordnet, in den man durch vier große Torbögen gelangt. Es handelt sich um eine der ältesten Arbeiterwohnsiedlungen Straßburgs. Ihr Architekt Albert Nadler spielte geschickt mit verschiedenen Farben und Volumen und versah die Fassaden mit Giebeln, die mit Voluten im Neorenaissance-Stil geschmückt sind. So wirkt der Katholischen Bahnhof gleichzeitig wuchtig und pittoresk.

Katholischer Bahnhof

Station 10

La Laiterie

Der Name bedeutet „Molkerei“, und tatsächlich wurde hier, vor den Toren des Stadtzentrums, 60 Jahre lang Milch gesammelt, pasteurisiert und verteilt. Die Geschichte beginnt im Jahr 1915, als die Straßburger Zentralmolkerei in einer ehemaligen Brauerei eingerichtet wurde. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs sollte die Genossenschaft die Versorgung der Bevölkerung, insbesondere von bedürftigen Schulkindern, mit Milcherzeugnissen sicherstellen. Ab 1924 wurde die im Umland gesammelte Milch hier pasteurisiert, bevor sie in Flaschen abgefüllt und verteilt wurde. Dieses Gewerbe bestand bis zum Jahr 1979.

Die Molkerei wurde 1994 in einen lebendigen Ort des Kulturschaffens und der Kulturvermittlung inmitten eines Arbeiterviertels verwandelt. Der vielfältige Kulturbetrieb verteilt sich auf mehrere Gebäude und begünstigt den künstlerischen Austausch: Es gibt Theaterbühnen (TAPS, Espace K), einen Ausstellungssaal und Konzertsäle (Laiterie, Molodoï) sowie Büros und Proberäume für Theaterensembles (La Fabrique de Théâtre), die für verschiedene künstlerische Aktivitäten zur Verfügung stehen.

Le bâtiment de la Laiterie

Station 11

Wasserturm – Voodoo-Museum

Der 1883 erbaute ehemalige Wasserturm des Bahnhofs ist Teil des Eisenbahnkomplexes. Er diente als Wasserreservoir für die Dampflokomotiven. Ursprünglich waren in dem wuchtigen achteckigen Turm aus rotem Sandstein vier große zylindrische Stahltanks untergebracht. Sie hatten ein Fassungsvermögen von jeweils 106 m³, das 1897 angesichts des zunehmenden Verkehrsaufkommens fast auf das Doppelte erweitert wurde. Der Berliner Architekt Johann Eduard Jacobsthal ließ das hohe Gewicht der Tanks auf den dicken Außenmauern ruhen, die sich zum Boden hin verbreitern. Das oberste Stockwerk wurde aus einer leichteren Konstruktion aus Metall und Ziegeln errichtet, deren Wände mit großen Öffnungen versehen sind. Der Wasserturm diente auch als Aufenthaltsort für die Eisenbahner, die ab 1891 dort die Möglichkeit hatten, ein Bad zu nehmen.

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Dampf durch Elektrizität ersetzt und der Wasserturm aufgegeben. Nach seinem Kauf im Jahr 2005 wurde er zu einem Museumsraum umgebaut und erhielt so eine neue Bestimmung: Heute beherbergt er das Château Musée Vodou, eine der bedeutendsten Privatsammlungen westafrikanischer Voodoo-Objekte in Europa.

Château musée vodou

Station 12

Kriegstor

Nach der Annexion von 1871 begannen die deutschen Behörden zwischen 1875 und 1884 mit dem Bau neuer Stadtbefestigungen. Dadurch konnten neue Stadtteile integriert werden. Die neue, 11 km lange Befestigung bestand aus hohen Mauern und Wällen mit einer Reihe von Pulvermagazinen und offenen Kasernen. Die Anlage war mit 15 Toren für Bürger und Militär versehen.

Von diesen monumentalen Toren ist heute das Kriegstor als einziges erhalten. Architektonisch gesehen handelt es sich um die Nachahmung einer mittelalterlichen Burg, umrahmt von Zinnentürmen und durchbrochen von vier Gewölbegängen. Sie waren mit Fallgattern und gepanzerten Toren ausgestattet, die nur im Falle einer Belagerung zum Einsatz kamen. Dem Bauwerk vorgelagert ist das Glacis, ein weitläufiges Gelände mit 600 m2 Fläche, das den Feind dazu zwingen sollte, sich ohne Deckung vorwärts zu bewegen. Heute ist es mit Bäumen bepflanzt und als Promenadenpark gestaltet und bildet einen Grüngürtel, der das Bahnhofsviertel von den "Faubourgs", den ehemaligen Vororten trennt.

Kriegstor

Station 13

Bastion 14

Weitere Befestigungsanlagen wurden teilweise saniert, wie beispielsweise die Bastion 14 am Ende der Rue du Rempart. Die Bastion, ein ehemaliges Wehrbauwerk, war Teil der Befestigungsanlagen von 1870 und wurde 2003 in eine Künstlerresidenz umgewandelt. Heute beherbergt sie rund zwanzig Gemeinschaftsateliers. Die Stadt stellt sie professionellen bildenden Künstlern zur Verfügung, die sich im Rahmen einer jährlichen Ausschreibung bewerben mussten. Eine Jury aus Fachleuten und Künstlern und Künstlerinnen der Straßburger Szene der bildenden Künste wählt die Kandidaten unter zahlreichen Bewerbungen aus.

Zwei Gemeinschaftsräume und eine internationale Künstlerresidenz vervollständigen das Angebot, das Teil der Politik zur Förderung der Straßburger Kunstszene ist. Das Bastion 14 wird von der Fachabteilung für Bildende Kunst, Illustration und Literatur betrieben und ist heute ein fest im Viertel verankerter Lebens- und Kreativort, erkennbar an den bunten Wimpeln an der Fassade, die einen Kontrast zur ursprünglichen Wehrarchitektur bilden.

Les parcours du 5e Lieu

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Dieser Rundgang wurde vom 5. Ort gestaltet.

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